
Der Betrüger ist der Täter, der Betrogene das Opfer. Darüber herrscht gesamtgesellschaftlicher Konsens. Auch ich habe es lange so empfunden. Es ist ja auch nicht falsch. Allerdings ist es auch nicht die ganze Wahrheit.
Es gibt hier zwei Ebenen, die unterschieden werden müssen: Wer den Schritt macht und fremdgeht, wird natürlich zum Täter. Wer so weit geht, braucht sich also über die Wut und den Schmerz des betrogenen Partners nicht zu wundern. Doch an der Beziehungsdynamik, die häufig den Nährboden und die Ursache für die Untreue bildet, sind beide Partner beteiligt. Das ist keine schlechte Nachricht. Schließlich ist da, wo Verantwortung ist, auch Handlungsspielraum. Wenn wir erkennen, dass beide Seiten zu den Problemen in der Beziehung beitragen, können wir auch beide aktiv an der Lösung arbeiten.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als meine Partnerin mit jemand anderem etwas hatte. Es hat mich total erleichtert zu merken, dass ich nicht nur Opfer bin. Indem ich auch meine eigene Rolle in der Beziehung reflektiert habe, konnte ich sehen, wie beide Partner zur Situation beigetragen hatten. Es war eine harte Erkenntnis, aber auch eine befreiende. Ich musste mich den unangenehmen Fragen stellen: Was habe ich übersehen? Welche Bedürfnisse meiner Partnerin habe ich nicht wahrgenommen? Diese Fragen führten zu einer tieferen Selbsterkenntnis und letztlich auch zu einer stärkeren Beziehung.
Den Spieß umdrehen
Daher möchte ich heute den Spieß umdrehen und die Frage in den Raum stellen: Warum bin ich immer direkt der Arsch/Täter? Wenn doch jeder zweite darüber nachdenkt, dann ist es ja gar nicht so weit weg, dass mein Gegenüber dies auch macht, darüber nachdenkt oder es bereits getan hat. Diese gesellschaftliche Sichtweise, dass der Fremdgeher automatisch der Bösewicht ist, ist oft zu simpel und vernachlässigt die Komplexität menschlicher Beziehungen.
Oft ist das vermeintliche Opfer auch ein Täter. Denn häufig werden die Bedürfnisse des Partners nicht befriedigt oder unterdrückt. Wenn einer der Partner ständig übergangen oder nicht gehört wird, kann dies zu einem Gefühl der Isolation und Unzufriedenheit führen, das letztendlich zu untreuem Verhalten führt. Es gibt viel Ärger im Alltag und wer will nicht mal eine Auszeit von einem nörgelnden Ehepartner, der immer etwas auszusetzen hat? Ich habe darauf jedenfalls keinen Bock. Ein ehrliches Gespräch darüber, was in der Beziehung fehlt, könnte viele Missverständnisse und Verletzungen verhindern.
Verschiedene Gründe für Fremdgehen
Es gibt natürlich viele Gründe, warum jemand fremdgeht: die Suche nach Freiheit, der Kick, sich etwas Neues zu holen, der Wunsch nach Bestätigung oder einfach die Flucht vor dem Alltag. Es gibt auch Personen, bei denen das Fremdgehen wie ein roter Faden im Lebenslauf verläuft. Diese Menschen haben oft tieferliegende, ungelöste Probleme, die sie immer wieder dazu treiben, außerhalb ihrer Beziehung nach Erfüllung zu suchen.
Daher die offene Frage: Was wäre, wenn wir dazu stehen und sagen, ja, ich gehe fremd und ich stehe dazu?
Könnten wir dadurch nicht ehrlicher und offener mit unseren Bedürfnissen umgehen?
Was wäre, wenn jeder für sich entscheiden könnte, wie er seine Bedürfnisse befriedigen möchte, ohne dass die Gesellschaft einem einen Stempel aufsetzt?
Oh, Moment mal, das kann ich ja, wenn ich dazu stehe... Es erfordert Mut, zu seinen eigenen Bedürfnissen und Handlungen zu stehen, aber es ist der erste Schritt zu einer authentischen und erfüllten Beziehung.
Fremdgehen ist ein komplexes Thema und oft gibt es keine einfachen Antworten. Es ist wichtig, die Dynamik der Beziehung zu verstehen und offen über die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen zu sprechen. Nur so kann man echte Lösungen finden und vielleicht sogar eine Beziehung retten, die sonst zum Scheitern verurteilt wäre.
Wir müssen uns fragen, ob wir bereit sind, die Verantwortung für unsere Handlungen zu übernehmen und gleichzeitig die Bereitschaft zeigen, den Partner wirklich zu verstehen. In vielen Fällen ist Fremdgehen ein Symptom tieferliegender Probleme, die nur durch offene Kommunikation und gegenseitiges Verständnis gelöst werden können.
Wenn ihr Hilfe dabei braucht, meldet euch gerne bei uns. Wir sind hier, um euch durch diesen herausfordernden Prozess zu begleiten und zu unterstützen.
Eure Beziehung kann es wert sein, diese schwierige Reise zu unternehmen.
Täter und Opfer
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